Texte und Gebete

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

kräftige
schwer gefurchte
strecken nach oben und unten
vorn rechts und von links
geschwungen gerade
wegspuren
des lebens
gekreuzt
auf blauem treuegrund
luft und himmel und wasser

unterwegs
am kreuzpunkt
geschieht’s
das geschenk der begegnung
getroffen das herz
liebe und feuer und blut
und strahlendes licht
genug
für den
weiterweg


Christoph Wurbs

kreuzbaum
gewachsen aus chaos
und schmerzender angst
nach oben sich glättend
trotz todeswunde am herzen
im gesicht
schon goldglanz-ahnung
der ewigkeit

SEIN weg -
gelegt auf die erde
gelegt auch in schmutz
gelebt auf der erde
berührt auch von schmerz
am ende
gelegt in die erde
bedeckt mit dem schatten des todes
SEIN weg
führt hinein in das leuchtende leben
das wunden verwandelt
und auch seinen tod
in lebendiges leben für immer und ewig

MEIN weg –
mitgenommen.


Christoph Wurbs

Ich rufe zu Gott, ich schreie,
ich rufe zu Gott, bis er mich hört.
Am Tag meiner Not suche ich den Herrn;
unablässig erhebe ich nachts meine Hände,
meine Seele lässt sich nicht trösten.
Denke ich an Gott, muss ich seufzen;
sinne ich nach, dann will mein Geist verzagen.
Du lässt mich nicht mehr schlafen;
ich bin voll Unruhe und kann nicht reden.
Ich sinne nach über die Tage von einst,
ich will denken an längst vergangene Jahre.
Mein Herz grübelt bei Nacht,
ich sinne nach, es forscht mein Geist.
Wird der Herr mich denn auf ewig verstoßen
und mir niemals mehr gnädig sein?
Hat seine Huld für immer ein Ende,
ist seine Verheißung aufgehoben für alle Zeiten?
Hat Gott seine Gnade vergessen,
im Zorn sein Erbarmen verschlossen?
Da sagte ich mir: «Das ist mein Schmerz,
dass die Rechte des Höchsten so anders handelt.»
Ich denke an die Taten des Herrn,
ich will denken an deine früheren Wunder.
Ich erwäge all deine Werke und will
nachsinnen über deine Taten.
Gott, dein Weg ist heilig. Wo ist ein Gott,
so groß wie unser Gott?

Psalm 77,2–14 Einheitsübersetzung

warum es
ihn getroffen habe
warum gott
ihn bestrafe
warum er
sein leiden zulasse

warum er
so gelebt habe
warum er
nicht besser
nicht gesünder
nicht weiser
warum er nicht anders
gelebt habe

warum seine ärzte
nicht ernster genommen
worüber er geklagt
warum sie
nicht früher erkannt
nicht schneller gehandelt
nicht souveräner delegiert

warum
dieses warum
von niemandem
schlüssig beantwortet werde
warum
selbst der mannn von der kirche
auf dieses warum
keine antwort habe


Aus: Bruno Pockrandt, Zwischen Befunden und Befinden, Frankfurt 2008

wer rollt uns den stein weg,
so fragen die frauen
das grab im Sinn
den ort des todes
und finden das leben

wer rollt uns den stein weg
so fragen wir
in krankheit und krise
da mitten im leben
vielgesichtig
tode uns blühen

es werden osterengel gesucht
die aus gräbern befreien
den todesengeln
ihr dementi entgegnen
dass der totgesagte lebe
und in ihm unser fest
ohne ende sei


Aus: Bruno Pockrandt, Zwischen Befunden und Befinden, Frankfurt 2008

Vom Himmel komm herab auf euch
der Geist, der einst die Schöpfung so erdacht,
Atem Gottes, der uns erhält am Leben,
Sturm, der uns vertreibt
aus jedem Gestern, das vorbei.

Er nehme euch die Angst vor ihm,
vor seinem Brausen und vor dem Leben,
wie er es sich gedacht
und das er wirklich will.

Er gebe Euch den Segen, den es braucht,
und sende aus euch alle in die Welt,
damit in Brand gerät,
was auf sein Lodern wartet,
damit durch's Feuer Neues wird und wachse
gleich jenem Gold,
das erst im Ofen seinen Glanz erhält.

So segne euch,
der nicht nur Geist für uns,
ein Vater auch und Sohn zugleich,
unfassbar für das Menschen Herz.
Amen.


Herbert Jung